Ägypten: Dollars für Despoten

Die internationalen Schutzpatrone von Präsident al-Sisi

Ägyptens kreditfinanzierte Wirtschaftspolitik macht internationale Akteure zu Beteiligten an den Repressalien des Regimes und an der zunehmenden sozialen Benachteiligung der unteren und mittleren Bevölkerungsschichten. Neben der damit verursachten Instabilität schürt das einen gewalttätigen Extremismus – nicht nur im eigenen Land, sondern potentiell im gesamten Nahen Osten. Eine Analyse von Maged Mandour.

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Das Regime von Präsident al-Sisi verfolgt politisch konsequent die Verankerung im globalen Finanzsystem. So verknüpft es die eigene Stabilität mit den wirtschaftlichen Interessen internationaler Organisationen, westlicher Staaten und privater Unternehmen.

Das Regime mag sich international als Bollwerk gegen Terrorismus und illegale Migrationsströme vermarkten, doch dieses Narrativ verschleiert die zugrundeliegende Wirtschaftsstrategie. Denn die Politik der hohen Verschuldung stellt sicher, dass sämtliche Forderungen nach Demokratisierung stets mit internationalen Interessen kollidieren.

Die ägyptische Regierung verfolgt drei Wege zur Einbettung ins globale Finanzsystem. Erstens verlässt sie sich bei der Finanzierung von Regierungsvorhaben und großen Infrastrukturprojekten zunehmend auf Auslandskredite. Dazu gehört eine Zunahme kurzfristiger Staatsanleihen und Schatzanweisungen oder „heißem Geld“. Zweitens hat sich das Regime aufgrund zunehmender Waffenkäufe zwischen 2015 und 2019 zum drittgrößten globalen Waffenimporteur entwickelt. Und drittens bindet das hohe Niveau der ausländischen Direktbeteiligungen am ägyptischen Öl- und Gassektor langfristige westliche Investitionen an die Stabilität des Regimes.

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Diese Faktoren bilden die Grundlage der internationalen Unterstützung des Regimes infolge finanzieller Interessen. Darüber hinaus bieten sie direkte Anreize für eine internationale Komplizenschaft bei repressiven Maßnahmen und errichten Hürden gegen die Demokratisierung. Letztlich verschärft diese ökonomische Strategie mit ihren destabilisierenden Auswirkungen die langfristigen Probleme. Wenn internationale Kapitalströme dazu beitragen, die Dominanz des Militärs in der ägyptischen Wirtschaft zu finanzieren, helfen sie auch dem Sicherheitsapparat, den Zugriff auf den Staat zu verstärken.

Schuldenrausch     

Ägypten stützt sich stark auf Schulden und schafft damit finanzielle Abhängigkeiten zwischen dem Regime und internationalen Akteuren. Die Kreditaufnahme ließ die Auslandsverschuldung bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt von 14,67 Prozent im Jahr 2012 auf 31,7 Prozent bis zum ersten Quartal 2020 ansteigen und erreichte damit 111,3 Milliarden Dollar.

Diese Schuldenexplosion wurde flankiert von einem exponentiellen Wachstum der im Ausland gehaltenen kurzfristigen ägyptischen Staatsanleihen, die von 60 Millionen Dollar Mitte 2016 auf 20 Milliarden Dollar im Oktober 2019 anstiegen. Diesen Zustrom an kurzfristigem Kapital konnte das Regime mit einem der höchsten Zinssätze aller Schwellenländer einwerben. Die Rendite lag ab Juli 2020 bei 13 Prozent.

Dies bescherte Ägypten den Ruf als „Liebling der Schwellenmärkte“, was auch den großen Appetit der Investoren auf eine Eurobond-Emission in Höhe von 5 Milliarden Dollar erklärt. Die größte Anleihe in der ägyptischen Geschichte war 4,4-fach überzeichnet: ein Beleg für das Vertrauen der Investoren in die Stabilität des Regimes.

In den Sand gesetzt: Ägyptens neue Verwaltungshauptstadt

Kairo mit seinen rund 20 Millionen Einwohnern könnte schon bald die Abwanderung seiner wenigen gut situierten Bewohner – Staatsangestellte und ausländische Diplomaten – in die neue Verwaltungshauptstadt des Landes bevorstehen. Von Hamza Hemdawi.

Falsche Prioritätensetzung: „Vielleicht will Al-Sisi als Führer, der diese neue Verwaltungshauptstadt gebaut hat, in die Geschichte eingehen, doch wenn die Ägypter keine greifbare Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und Dienstleistungen sehen, wird man sich wohl vor allem an den Präsidenten erinnern, der dem verbliebenen Rest der Mittelschicht den Garaus gemacht hat“, so der ägyptische Politologe Hassan Nafaa.

Die hohe Verschuldung hat schwerwiegende Folgen für Ägypten und die internationale Gemeinschaft. Sie verankert das Regime im globalen Finanzsystem, da die Fähigkeit zur Rückzahlung der Schulden vom Überleben des Regimes abhängt.  Dies schützt das Regime vor internationalem Druck, die Repressionen zurückzufahren.

Unruhen in Ägypten wirken sich unmittelbar auf die Einnahmesituation der Regierung aus, da mit sinkendem Steueraufkommen auch der Schuldendienst leiden würde – und damit die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls. Zudem verwickelt die Schuldenpolitik internationale Gläubiger des Regimes in die Umleitung öffentlicher Gelder in  Mega-Infrastrukturprojekte zur Bereicherung  der militärischen Eliten. Diese Projekte werden sowohl direkt als auch indirekt von internationalen Geldgebern (einschließlich regionaler Verbündeter und internationaler Organisationen wie dem IWF) finanziert.

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