Grußwort an die Teilnehmer der Kundgebung
„Cantada für die Freiheit“ am 25. Juli 2021 in Berlin

Liebe Freundinnen und Freunde,

Kuba liegt mir persönlich sehr am Herzen.
Gerade in den letzten Wochen sind meine Gedanken besonders oft bei den dort lebenden Menschen. Denn die mutigen Proteste der Kubaner können einen Wendepunkt für die Zukunft der Karibikinsel einleiten – hin zu Freiheit und Demokratie. Ich engagiere mich persönlich seit dem Jahr 2001 für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf Kuba. Daher bedaure ich es sehr, dass ich heute – aus gesundheitlichen Gründen – nicht selbst hier in Berlin zu Euch sprechen kann. Denn Euer Protest ist unser Protest! 

Als meine Frau und ich vor drei Jahren im Park von Santa Rita im Stadtteil Miramar von Havanna gemeinsam mit den „Damen in Weiß“ für die Freilassung von politischen Gefangenen demonstrierten, haben wir viele Menschen kennen gelernt, deren Engagement für Freiheit und Menschenrechte mit einem teuren persönlichen Preis erkauft wurde. Diese Angehörigen von Gefangenen und Demokratieaktivisten, die nie in ihrem Leben die Chance hatten ins Ausland zu reisen, haben uns persönlich sehr beeindruckt! Ihr Mut, ihre Zuversicht und ihre Stärke zeigen, dass in den Herzen dieser Kubaner die Freiheitsliebe wohnt. Sie lassen sich nicht einschüchtern, sondern kämpfen weiterhin friedlich für ihre Menschenrechte und für die ihrer Angehörigen. Ihr Schicksal und ihre Sehnsüchte gleichen denen der vielen Kubaner, die in den vergangenen Wochen auf den Plätzen und Straßen von Kuba für eine bessere demokratische Zukunft, für ein menschenwürdiges Leben und gegen die Diktatur protestiert haben. Sie haben endgültig genug von Unterdrückung, falschen Versprechungen, Hunger, Armut und Verfolgung. Bei vielen Bildern und Videos, die über die Sozialen Medien geteilt wurden, habe ich eine Gänsehaut bekommen. Es ist bewegend zu sehen, wie viele Menschen sich nun friedlich gegen die Diktatur stellen und lautstark protestieren. 

Es wird den Unterdrückern letztlich nicht helfen, wenn sie nun ihre Parteimitglieder und Begünstigten in Bussen zu angeordneten Kundgebungen ankarrt, auf denen zur „Verteidigung der Revolution“ aufgerufen wird. In Wahrheit will diese „Revolution“ nur die korrupte Machtelite der Castristen verteidigen, die sich vor der demokratischen Herrschaft des Volkes fürchtet. 

Einzelne Stimmen kann die Diktatur unterdrücken, aber viele Stimmen setzen ein Zeichen. Die Welt schaut nun auf Kuba und erfährt von der dramatischen Situation auf der Insel. Nun wird deutlich, dass das Regime in Havanna Angst hat vor jedem Kompromiss und Entgegenkommen. Es baut weiterhin auf die stalinistische Methode der Angstverbreitung, um sich an der Macht zu halten. Egal mit welchen Mitteln. Menschenrechte sind da nur im Weg. Jegliche Freiheit wird als Gefahr für das Regime angesehen. Denn in den Augen der kubanischen kommunistischen Führung ist jeder Mensch verdächtig, der sich nicht in den kommunistischen Massenorganisationen organisiert und keine Loyalitätsbekundungen leistet. Intellektuelle, Künstler und unabhängige Journalisten werden beobachtet, eingeschüchtert, drangsaliert und – wenn das alles nicht hilft – verhaftet, gefoltert und weggesperrt. Damit die Menschen sich nicht mehr verständigen und organisieren können, wird immer wieder das Internet abgestellt und bekannte Regimekritiker systematisch blockiert. Trotzdem schaffen es viele, Bilder und Videos zu teilen und zu versenden. Wenn die klassischen Medien so gut wie gleichgeschaltet sind, sind die sozialen Medien umso wichtiger. 

Gerade die persönlichen Schicksale bewegen uns alle. Sie geben der dramatischen Menschenrechtssituation auf Kuba ein Gesicht: So liegt es noch nicht lange zurück, dass Hamlet Lavastida, einer der bedeutendsten kubanischen Künstler seiner Generation, hier in Berlin eine vielbeachtete Ausstellung zeigte. Vielleicht hat sie der ein oder andere von Euch damals gesehen. Hamlet ist Mitglied der Plattform 27N (27. November) – einer Bewegung von Intellektuellen, die demokratischen Wandel und Menschenrechte in Kuba fordern. Er nutzt seine Kunst als Mittel, um die Unterdrückung auf Kuba anzuprangern und um gegen das autokratische Regime zu protestieren. Hamlet beendete einen künstlerischen Besuch in Berlin und flog am 21. Juni 2021 in seine Heimat zurück. Obwohl er vollständig geimpft war, wurde er in ein Quarantänezentrum in Havanna gebracht. Dort nahm ihn die Polizei am 26. Juni fest. Man klagte ihn wegen „Anstiftung zu einer Straftat“ an. Die kubanische Regierung macht ihn für die aktuellen Proteste im Land verantwortlich.

Nicht die Jahrzehnte lange Misswirtschaft, die Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung der Kubaner sollen zu den Protesten geführt haben, sondern Künstler wie Hamlet. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln und wie Ihr auf die Straße gehen – aus Solidarität für alle, die ihre Freiheit verloren haben, weil sie sich für die Freiheit aller Kubaner eingesetzt haben!Hamlet ist seitdem in der Villa Marista, dem kubanischen Stasigefängnis in Havanna, inhaftiert und hat kaum Kontakt zu seiner Familie und seinen Freunden. Sein 7-jähriger Sohn Leo Lavastida bittet über soziale Medien um die Freilassung seines Vaters. Leo und seine Mutter, die Dichterin Katherine Bisquet, leben in Polen und hoffen, bald wieder mit Hamlet vereint zu sein.

Kuba wird in Deutschland oft als Urlaubsparadies wahrgenommen. Hoffentlich trägt die Berichterstattung über die Proteste dazu bei, dass das Bild realistischer wird. Denn jeder deutsche Tourist sollte bedenken, dass er als Urlauber Devisenbringer für die Machtelite eines Folterstaates ist. Was den sonnenhungrigen Urlaubern als Trauminsel präsentiert wird, ist ein Alptraum für die leidenden Menschen, besonders für die vielen politischen Gefangenen, die unter Mangelernährung, medizinischer und hygienischer Verwahrlosung und Folter leiden.

Die politischen Gefangenen werden oft in Zellen mit gefährlichen Kriminellen eingesperrt, die sie bedrohen und misshandeln. Die Gefängnisbehörden verbieten den politischen Gefangenen oft, Besuche ihrer Familien zu empfangen, verlegen sie in Haftanstalten weit entfernt von ihrem Heimatort und setzen ihre Familienmitglieder Schikanen aus. Politische Gefangene verbringen oft Monate in Einzelhaft, ihnen werden Kleidung weggenommen sowie die Essens- und Wasserrationen gekürzt. Ehemalige politische Gefangene berichten von grausamen Foltermethoden, wie dem „La Shakira”, bei der die Person mit Ketten an Armen und Hüfte aufgehängt wird. Immer öfter hören wir auch von Personen, die der „patrulla horno“ ausgesetzt waren. Hierbei werden die Opfer stundenlang unter der prallen Sonne in einem Polizeiwagen eingesperrt – ohne Wasser oder Luftzufuhr.

Mehrfach und zum Teil über Jahre aus politischen Gründen inhaftiert wurde der Demokratieaktivist Jose Daniel Ferrer. Als Gefangener des Schwarzen Septembers 2003 wurde er mit 74 anderen Bürgerrechtlern für Jahre weggesperrt und war unter schlimmsten Umständen inhaftiert. Nach seiner vom Vatican mit Kuba ausgehandelten Haftentlassung 2010 war er einer der wenigen politischen Gefangenen, die sich weigerten ins Exil zu gehen. Die von ihm gegründete Demokratiebewegung UNPACU ist die wichtigste Organisation der freiheitsliebenden Kubaner. Deshalb sind die UNPACU-Aktivisten ständig einem hohen Verfolgungsdruck ausgesetzt und stellen einen hohen Anteil unter den politischen Gefangenen. Jose Daniel Ferrer ist seit den Protesten vom 12. Juli „verschwunden“. Menschenrechtsverteidiger auf Kuba sagen, er wurde von der castristischen Staatssicherheit verschleppt und wird an unbekanntem Ort gefangenen gehalten. Wir fordern die sofortige Freilassung von Ferrer, die Freilassung, von allen politischen Gefangenen und von allen Teilnehmern der Juli-Proteste. Wir fordern Wiedergutmachung für die Opfer von Gewalt und Freiheitsberaubung sowie Anklage und Bestrafung der Täter!

Mangelwirtschaft, Verfolgung von Andersdenkenden, Unbelehrbarkeit, Inkompetenz und die Korruption der alleinregierenden Kommunistischen Partei haben die Menschen in Kuba auf die Straße gebracht. Sie haben genug von einem Leben, das von Trostlosigkeit, Verfolgung und Gewalt gekennzeichnet ist. Von Berlin aus setzen wir nun ein Zeichen nach Kuba. An alle, die friedlich für Freiheit und Menschenrechte protestieren und an alle, die willkürlich inhaftiert wurden: Wir stehen an Eurer Seite! Wir fordern die deutsche Regierung, die EU und die internationale Gemeinschaft auf, sich für die Freilassung der politischen Gefangenen einzusetzen und die Bürgerrechtsbewegung auf Kuba zu unterstützen.

Wie Martin Luther King einst sagte: „The time is always right to do what is right“. Nun ist diese Zeit für Kuba. Freiheit für Kuba, Freiheit für alle politischen Gefangenen! 

L I B E R T A D ! 

Herzliche Grüße,
Martin Lessenthin
Vorstandssprecher der IGFM-Internationale Gesellschaft für Menschenrechte,
Mitglied im Kuratorium des DIMR- Deutsches Instituts für Menschenrechte
und Botschafter für Menschenrechte auf Kuba

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