Hernández: Unabhängige Presse entlarvt die Propagandalügen
Der 11. Juli war ein schwerer Schlag für die kommunistische Diktatur und am 15. November blickt die Welt erneut auf Kuba
Die offiziellen Medien der kubanischen Diktatur haben auf Kuba ihr Monopol und damit die politische Deutungshoheit verloren. Staatsunabhängige Journalisten berichten mit Hilfe der sozialen Medien über fehlende Lebensmittel, Umweltverbrechen und vielfältige Missstände in der staatlichen Kommandowirtschaft und Gesundheitswesen, über Korruption und staatliche Lügen. BfM befragte dazu die unabhängige Journalisten Iliana Hernández.
Immer wieder treten Intellektuelle mit Kritik an der kommunistischen Partei und der von ihr geführten Regierung hervor. Gibt es eine neue Avantgarde, die das Machtmonopol der Kommunisten in Frage stellt?
Ja die gibt es. Seit ungefähr einem Jahr ist die Anzahl an Intellektuellen und Künstlern, aber auch an normalen Bürgern, die offen Kritik am Regime und den Verhältnissen in Kuba üben, deutlich angestiegen.
Das hängt mit zwei Dingen zusammen. Zum einen mit der Covid-19 Pandemie, die das vom Tourismus abhängige Kuba wirtschaftlich sehr schwer getroffen hat. Dies führte zu einer signifikanten Verschlechterung der Versorgungslage. Selbst einfache Grundnahrungsmittel sind oft nur sehr schwer zu bekommen. Wenn es etwas gibt, muss man viele Stunden, oft sogar Tage dafür anstehen. Gleichzeitig wurden Geschäfte eröffnet, in denen man nur mit freikonvertierbarer Währung einkaufen kann. Diese Geschäfte haben deutlich mehr Waren vorrätig. Das macht die Menschen natürlich unzufrieden. Zum anderen wurde in Kuba vor wenigen Jahren das mobile Internet eingeführt. Die Kubaner haben jetzt Zugang zu den sozialen Medien und können sich dort relativ unzensiert über die Welt informieren. Dadurch steigt das Bewusstsein dafür, dass in Kuba so einiges im Argen liegt. Deshalb fordern immer mehr Menschen nun politische und wirtschaftliche Veränderungen.
Welche Rolle spielen staatsunabhängige Journalisten?
Die Rolle der unabhängigen Presse besteht darin die Wahrheit über Kuba zu berichten. Ihre Aufgabe ist es die Propagandalügen des Regimes zu entlarven. Sie berichtet über den harten Alltag der Kubaner und gibt denjenigen Kubanern eine Stimme, die in der staatlichen Presse nie zu Wort kommen. In der unabhängigen Presse kommen die Armen und Unterdrückten frei zu Wort. Das sind die Kubaner, die die Diktatur zum Schweigen bringen möchte. Aus diesem Grund sind wir unabhängige Journalisten ständiger Verfolgung durch die kubanische Stasi ausgesetzt. Denn wir entlarven den Mythos der kubanischen Revolution als das was er ist. Eine surrealistische Fantasie, die nur in den Köpfen der Parteibonzen und einiger verblendeter Linker im Ausland existiert. Seit 62 Jahren wird nun dieses Märchen der sozial gerechten Revolution erzählt, wir zeigen dagegen die extrem ungerechte kubanische Realität.
Was sind die Folgen des 11. Juli für die Demokratiebewegung auf Kuba?
Der 11. Juli war ein schwerer Schlag für die kommunistische Diktatur. Gleichzeitig war er für die Demokratiebewegung ein Tag der Hoffnung. Für die Dissidenten und die unabhängigen Journalisten, die sich seit langem friedlich für eine Demokratisierung Kubas einsetzen war dieser Tag ein großes Geschenk. Wir mussten uns jahrelang anhören, dass unsere Arbeit umsonst sei, dass die Kubaner nie aufwachen und protestieren würden. Sogar meine eigene Mutter sagte mir immer wieder, dass meine Bemühungen bei den Kubanern ein kritisches Bewusstsein zu schaffen zwecklos seien. Der 11. Juli hat das Gegenteil bewiesen
Dieser Tag hat allen gezeigt, dass die Kubaner sehr wohl in der Lage sind auf die Straße zu gehen und Veränderungen einzufordern. Er zeigt den Kubanern allerdings auch dass der Weg des Protestes der einzige ist um Veränderungen herbeizuführen, denn freiwillig wird sich das Regime nicht bewegen. Durch die brutale Repression der Proteste sind nun noch mehr Kubaner offen gegen das Regime eingestellt.
Insbesondere die Familien und Angehörigen der verhafteten Demonstranten gehören mittlerweile zu den glühendsten Kritikern der Diktatur. Der Effekt das 11. Juli ist so bedeutend, dass man den Tag auch als den Tag des Erwachens“ bezeichnen könnte. Kubas Machtelite tut alles, um Stimmen von Diktatur-Kritikern wie Daniel Ferrer, Felix Navarro, Guillermo Farinas oder die Damen in Weiß zum Schweigen zu bringen. Macht es da Sinn, wenn sich weitere Kubanerinnen und Kubaner in Gefahr begeben und selbst zu politischen Gefangenen werden?
Nun, die Diktatur unternimmt nicht nur alles Mögliche, um die prominenten Dissidenten zum Schweigen zu bringen, sie macht das bei allen Kubanern. Zurzeit trifft es zum Beispiel den Dramaturgen Yunior Garcia, der die Gruppe Archipielago (Archipel) gegründet hat. Diese Gruppe versucht seit einigen Monaten für den 15. November friedliche Demonstrationen für Demokratie im ganzen Land zu organisieren. Sie haben auch versucht diese offiziell bei den Behörden anzumelden. Die Behörden haben die Demonstrationen jedoch verboten, da Kuba eben kein Rechtsstaat ist. Yunior Garcia, der vorher nie politisch in Erscheinung getretenen ist, ist nun Opfer einer unverschämten medialen Hetzkampagne. Er wird beinahe täglich in den großen staatlichen Zeitungen und in den Abendnachrichten des Staatsfernsehens verunglimpft. Das Regime stellt ihn als von den USA bezahlten Söldner und Verräter hin, und versucht sogar ihn in die Nähe des Terrorismus zu rücken. Außerdem wird gedroht ihn für Jahre ins Gefängnis zu stecken, falls es am 15. November zu Demonstrationen kommen sollte. Allerdings bin ich der Meinung, dass diese widerliche Kampagne nicht den erhofften Effekt hat, ganz im Gegenteil. Die Kubaner haben es satt vom Regime ständig belogen und manipuliert zu werden. Sie finden es auch ungerecht, dass das Regime ständig gemeine Lügen über die Kubaner erzählt, die es wagen die Verhältnisse im Land zu kritisieren. Ich denke dadurch wird den Menschen nur noch klarer, wie dringend wir einen demokratischen Wandel in unserem Land benötigen.
Denken Sie, dass sich am 15. November die Proteste des 11. Juli wiederholen werden? Fürchten Sie Gewaltausbrüche?
Ich denke, dass es am 15 November im ganzen Land zu Demonstrationen kommen wird. Ich erwarte eine hohe Beteiligung, insbesondere der Jugend. Die Jugend hat die Lügen des Regimes satt. Aber auch die Älteren werden sich beteiligen, auf ihre Art. Vielleicht trauen sie sich nicht aus dem Haus, aber auch sie werden sich aus Solidarität mit den Demonstranten in Weiß kleiden. Wenn man ein offenes Ohr auf der Straße hat und zuhört was in den langen Schlangen vor den Lebensmittelgeschäften so geredet wird, bekommt man eindeutig den Eindruck, dass viele Menschen am 15. November demonstrieren gehen, werden. Allerdings ist die Diktatur im Gegensatz zum 11. Juli dieses Mal vorgewarnt. Deshalb befürchte ich, dass es zu Gewalt kommen wird. Andererseits ist auch die Weltöffentlichkeit vorab informiert und wird ihre Augen an diesem Tag auf Kuba richten. Dies sollte das Regime hoffentlich davon abhalten, allzu brutal zu reagieren. And Drohungen mangelt es jedoch nicht. Neben Gewalt wird auch mit hohen Haftstrafen gedroht. Ich denke jedoch nicht, dass das viel bringen wird. Ich glaube, dass der Diktatur nicht mehr mal ein Jahr bleiben wird, denn die Kubaner haben sich für die Freiheit entschieden.
Welche Vision haben Sie für das Kuba der Zukunft?
Das Kuba der Zukunft ist für mich ein Kuba ohne die kommunistische Partei. Dies wäre ein glückliches und freies Kuba. Ein Land, in dem die Menschen frei sind, ihre Unternehmen zu gründen und Wohlstand zu schaffen. Die Kubaner sind eigentlich hart arbeitende Menschen, und im Kuba der Zukunft könnten sie dieses Potenzial voll entfalten. Es würde sehr gute Bildung für alle geben, die nicht vollkommen politisiert ist und nur der Indoktrination dient, wie heute der Fall. Das Kuba von Heute ist ein trauriges und armes Land. Die Menschen sind traurig, weil es so viele politische Gefangene gibt und weil es so viel Elend gibt. Das Kuba von Morgen ist dagegen ein glückliches Land mit einer wachsenden Wirtschaft und einer lebendigen Zivilgesellschaft und einer offenen, freien politischen Kultur. Die Bürger dürfen sich in Parteien organisieren, Wahlkampf betreiben und am Ende ihre Regierung frei wählen. Die Regierung wird dafür sorgen, dass Alle Kubaner die gleichen Möglichkeiten und Rechte haben. Sie wird den Schwachen helfend unter die Arme greifen, damit auch sie ihr Potenzial entwicklen. Vor allem aber wird sie die Menschenrechte aller Kubaner achten und schützen. Dies ist das wichtigste Ziel im neuen Kuba. Nach über 60 Jahren Diktatur, Unterdrückung und Armut brauchen wir eine prosperierende und freie Gesellschaft, die unsere Menschenrechte schützt.
Die Fragen stellte Fernando Rivas.
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