Kuba: Mutige Proteste – brutale Repression

Nachdem es am 11. und 12. Juli auf Kuba zu den größten Protesten seit 1959 gekommen ist, leidet das kubanische Volk nun noch stärker unter der brutalen Repression der Diktatur. Die Proteste waren ein spontanes Überkochen des Volkszornes, blieben aber von Seiten der Demonstranten fas überall friedlich. Die Wut der Menschen über Hunger, notorische Mangelwirtschaft, politische Unterdrückung hatte sich über lange Zeit aufgestaut. Hinzukam die epidemiologische Lage im Land, die sich in den letzten Wochen dramatisch verschlechtert und die katastrophalen Mängel im medizinischen System und der Hygiene Kubas hatte. Täglich erreichen die Covid-19 Neuinfektionen und Todeszahlen neue Rekorde, das marode Gesundheitssystem steht in weiten Teilen des Landes vor dem Kollaps. In der Provinz Matanzas, wo das Virus besonders schlimm wütet, ist es bereits kollabiert. Die Menschen dort sterben qualvoll zu Hause, weil die Krankenhäuser überfüllt sind.

In dieser hoffnungslosen Lage kam es zuerst in San Antonio de los Banos, einem Vorort von Havanna, über Tage zu stundenlangen Stromausfällen. In der drückenden Hitze des kubanischen Sommers wird das Leben so schnell zur Qual. Die wenigsten Menschen haben zwar Klimaanlagen, aber viele Kubaner haben Ventilatoren, um sich etwas Abkühlung zu verschaffen. Ohne Strom sind diese jedoch nutzlos, und die Wohnungen der Menschen werden schnell unerträglich heiß und stickig. Noch schlimmer ist, dass die wenigen Lebensmittel, die die Menschen in ihren Kühl- und Gefrierschränken haben, so sehr schnell verderben. Für die hungergeplagten Einwohner von San Antonio war das nicht mehr zu ertragen, so dass spontan hunderte von ihnen auf die Straße gingen.

Aus den Protesten wegen der Stromausfälle wurden schnell Proteste gegen Diktatur und Unterdrückung. Die Menschen riefen „Freiheit“, „Nieder mit der Diktatur“ und „Nieder mit dem Kommunismus“. Viele Demonstranten filmten die Ereignisse mit ihren Handys und streamten alles live auf Facebook. Dies sahen viele Kubaner in anderen Teilen des Landes. Binnen kürzester Zeit brachen spontane Demonstration im ganzen Land aus. Von Santiago bis Havanna stürmten tausende Kubaner auf Straßen und Plätze, um Freiheit und ein Ender der kommunistischen Diktatur zu fordern.

Das Regime reagierte nicht mit Kompromiss und Dialogbereitschaft auf die Massenproteste, sondern wendete wie gewohnt brutale Gewalt gegen die Protestierenden aus. Der Diktator Diaz Canel sprach über Stunden im Fernsehen und rief dazu auf die Proteste gewaltsam niederzuschlagen. Wie üblich machte er die Vereinigten Staaten für die schwierige Lage im Land verantwortlich und gab ihnen die Schuld an den Protesten. Statt Selbstkritik rief er zur „Verteidigung der Revolution“ und zur Gewalt gegen die Teilnehmer von Demonstrationen auf.

Diese Gewalt der Unterdrücker setzte schnell ein. Als erstes wurde im ganzen Land das Internet abgeschaltet, um die Menschen daran zu hindern sich zu weiteren Protesten zu verabreden. Außerdem sollten so wenig Bilder wie möglich über die brutale Niederschlagung der Proteste nach außen dringen. Dann rückten die gefürchteten Spezialkräfte, die sogenannten „Schwarzen Barette“, aus. Hinzu kamen noch viele Geheimpolizisten in Zivil, die mit schweren Knüppeln Jagd auf friedliche Demonstranten machten. Die unabhängige Journalisten Ileana Hernandez erklärt, dass dies die typische Strategie der kubanischen Diktatur sei, um Proteste niederzuschlagen: „Die Agenten in Zivil der Staatssicherheit sollen den Eindruck erwecken, dass es sich um loyale Bürger handelt, die sich spontan dazu entscheiden die Revolution zu verteidigen. Die unschönen Szenen der Gewalt sollen somit nicht dem Regime angelastet werden können und es soll der Eindruck entstehen, dass das normale Volk hinter der Revolution steht“. Trotz der Internetsperre gelangten einige Bilder und Videos nach draußen. Dort sieht man wie die Stasi Agenten in Zivil mit ihren Knüppeln auf wehrlose Menschen einschlagen.

Allerdings waren diese Proteste zu massiv, um sie allein mit Hilfe der Agenten in Zivil niederzuschlagen. So zeigen Videos, die massive Gewalt der uniformierten Polizei. Mehrere Videos dokumentieren, wie Polizisten auf am Boden liegende Menschen einschlagen und treten. Andere Videos zeigen, wie Polizisten auf wehrlose Menschen schießen. In Cardenas dringen Polizisten gewaltsam in ein Haus ein, um einen Mann zu verhaften. Obwohl seine Frau und sein kleines Kind zugegen sind, wird der Mann einfach angeschossen und aus dem Haus geschleift. Seine Frau filmt den Vorfall und es gelingt ihr das Video trotz der Blockade auf Facebook hochzuladen. Ihr Mann hatte wohl an den Protesten teilgenommen.

Aus Camagüey stammt ein Video auf Facebook, welches zeigt wie eine verzweifelte Mutter mit einer Pferdekutsche zu einem Krankenhaus fährt. Hinten drauf liegt ihr 13jähriger Sohn, der bei den Protesten von der Polizei angeschossen worden ist. Dies führt den verbrecherischen Charakter des Regimes vor Augen. Während es mehr als genug Waffen und Polizei und Militärfahrzeuge gibt, um die Proteste brutal niederzuschlagen, gibt es in Kuba fast keine Krankenwagen.

Wie viele Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden sind, lässt sich auf Grund der weitgehenden Abschaltung des Internets noch nicht mit Sicherheit sagen. Die Zahl der Verhaftungen schätzt die Journalistin Ileana Hernandez auf ca. 5000, darunter sind 120 bekannte Aktivisten wie Jose Daniel Ferrer, Felix Navarro Rodriguez und Luis Manuel Ortero Alcantara. „Im Internet kursieren Listen über Menschen, die verhaftet worden sind, oder die einfach verschleppt worden sind. Vor den Polizeiwachen im ganzen Land bilden sich lange Schlangen von Menschen die verzweifelt versuchen etwas über den Verbleib ihrer Angehörigen zu erfahren. Oft erteilt man ihnen keine Auskunft, hunderte Menschen sind einfach verschwunden. Das hat System, so will man die Menschen in Angst und Schrecken versetzen“ so die Journalistin.

Die regimekritische Journalistin Iliana Hernandez berichtet über Gewalt gegen friedliche Demonstranten.

Dennoch gehen die Proteste weiter. Aber in den meisten Landesteilen herrscht wieder eine gespenstige Ruhe. „Die Kubaner sind sonst ein lautes und fröhliches Volk“ erklärt Ileana. „Havanna z.B. ist sonst laut und voller Leben. Jetzt herrscht hier Friedhofsruhe. Kaum einer traut sich noch auf die Straße, die wenigen Menschen, die vor die Tür gehen, huschen mit gesenktem Kopf an den unzähligen Polizisten vorbei“.

Jose Daniel Ferrer, Vorsitzender der Bürgerrechtsbewegung UNPACU und ehemaliger politischer Gefangener wird seit den Protesten vermisst.

Wenige Tage nach den Protesten von Sonntag ist die Zukunft der Insel also weiter ungewiss. Das Regime scheint durch massive Gewalt die Kontrolle über die Straßen des Landes zurückerlangt zu haben. Ob die Kubaner aber bereit sind, dies zu akzeptieren, kann zur Zeit Niemand sagen.  

Fernando Rivas

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