Corona-Ausbruch im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses

Mariam Claren: Geiselhaft der deutschen Staatsbürgerin Nahid Taghavi

Dieses Bild ist im Sommer 2018 in Istanbul entstanden. Der vorletzte gemeinsame Urlaub mit der Familie.

„Zwei von uns sind schon positiv getestet und in Quarantäne. Wir anderen werden nicht getestet. Die Lage ist wirklich ernst, es hat einen Corona-Ausbruch in unserem Trakt gegeben.“

Am 12. Juli teilte mir dies meine Mutter Nahid Taghavi, deutsch-iranische politische Gefangene in einem Telefonat mit. Ich tat das, was ich seit ihrer willkürlichen Verhaftung am 16. Oktober 2020 immer tat: An die Öffentlichkeit gehen um auf das Schicksal der politischen Gefangenen aufmerksam zu machen. Ich schloss mich mit den Familien der anderen Gefangenen kurz – sie hatten alle die besorgniserregenden Nachrichten erhalten. Wie immer informierte ich auch das Auswärtige Amt in Berlin.

In den Tagen darauf erreichte uns ein positiver Corona-Fall nach dem anderen. Mit viel Druck wurden endlich allen Frauen getestet. Die niederschmetternde Nachricht dann am 21. Juli: Auch meine Mutter war Corona-positiv und wurde auf die Quarantäne-Station verlegt. Da alle positiv-getesteten Frauen in den Hafturlaub entlassen worden waren, bemühte sich meine Familie vor Ort sowie unsere Anwälte, auch einen medizinischen Hafturlaub für meine Mutter zu erwirken. Von Gesprächen mit der Gefängnisbehörde bis hin zu Anträgen bei dem zuständigen Richter, nichts blieb unversucht. Tagelang verbrachte meine Familie Stunden in Wartezimmern, nur um immer wieder Absagen zu erhalten. Niemand wollte zuständig sein, Behörde A spielte den Ball an Behörde B und zurück.

Der unsichtbare Elefant im Raum: Die Revolutionsgarde, der „Staat im Staat“ in der Islamischen Republik Iran. Sie kontrolliert große Teile des Militärs, der Wirtschaft, der Politik und auch des Justizsystems. Das letzte Wort liegt bei ihnen – und wenn sie sich gegen den Hafturlaub meiner Mutter entscheiden, dann ist das gesetzt. Immer wieder hat die Revolutionsgarde in den letzten Jahren Doppelstaater willkürlich inhaftiert und als Faustpfand gegen das andere Land benutzt.

Meine 66-jährige Mutter Nahid Taghavi, Corona-positiv und mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes besonders gefährdet, ist nun dieser Willkür ausgesetzt. Von klassischen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Gliederschmerzen geplagt, können ihr auf Grund ihrer Diabetes keine klassischen lebenswichtigen Infusionen gesetzt werden. Zum größten Teil alleine auf der Quarantäne-Station wird sie von den wenig noch nicht erkrankten Frauen versorgt. Jedem Anruf aus dem Evin-Gefängnis entgegne ich mit großer Sorge.

Der Iran erkennt die doppelte Staatsbürgerschaft nicht an, daher gewährt die iranische Justiz der deutschen Botschaft keinen konsularischen Zugang. Die Wahrheit ist aber, dass meine Mutter wegen ihrer deutschen Staatsbürgerschaft anders – und zwar in dem Fall schlechter – behandelt wird.

Weder meine Mutter Nahid Tahami noch die anderen politischen Gefangenen haben es verdient in den Gefängnissen der Islamischen Republik Iran zu sein. Die offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen müssen von der Bundesrepublik Deutschland genannt, verurteilt und mit entsprechenden Konsequenzen belegt werden. Solange wirtschaftliche Interessen wichtiger sind, gewinnt das Unrecht.

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