Devisenbringer willkommen – LGBT-Kubaner weiter diskriminiert

In der Altstadt von Havanna wurde ein neues Hotel eröffnet. Das Axel-Hotel ist das erste Hotel in Kuba das offiziell LGBT-friendly ist. Kritiker sehen dies als einen weiteren Versuch des „Pink-Washings“ einer homophoben Diktatur und Gesellschaft. Die Zeiten, in denen das Regime Schwule ins Arbeitslager steckte, sind zwar vorbei, aber noch nicht vergessen. Auch heute noch werden LGBT-Kubaner Opfer von Gewalt und Diskriminierung. Die Ehe für Alle gibt es in Kuba noch immer nicht und die Gesellschaft bleibt eine konservative Macho-Gesellschaft mit schlimmen Folgen für nicht heterosexuelle Kubaner. Das Regime möchte aber nicht länger auf die Devisen der wohlhabenden LGBT-Touristen aus dem Kapitalismus verzichten und eröffnet deshalb das Axel Hotel. Der kubanische Schriftsteller Jorge Angel Perez, der offen schwul in Havanna lebt, kommentiert dies für Botschafter für Menschenrechte.

Das Axel Hotel (ehemals Hotel Telegrafo) in der Altstadt von Havanna

Vom Arbeitslager ins Axel Hotel

Jorge Ángel Pérez

Ich schrieb noch nicht für die oppositionelle Online-Zeitung Cubanet, als mein Freund, der Schriftsteller Albertico Yañez, ermordet wurde. Wir haben die genaue Todesursache nie erfahren. Wir haben nie erfahren, ob die Polizei richtig ermittelt hat und ob es ihr gelungen ist, die Identität seines Mörders festzustellen. Gerüchten zufolge soll es sich bei den Mördern um zwei Soldaten gehandelt haben, obwohl wir nie erfahren haben, ob es sich um Polizisten oder Angehörige der Streitkräfte handelte. Man sagte auch, dass seine enge Freundin, die Schauspielerin Susana Pérez, die letzte Person war, die ihn lebend gesehen hat.

Dann passierten weitere Morde, über die ich als Journalist bei Cubanet berichten konnte.  Einer der Ermordeten war Yosvani, den seine Freunde „La Eterna“ (die Ewige)  nannten. Den Spitznamen bekam er, weil er es immer wieder schaffte sich von den Sekundärinfektionen zu erholen, die ihn plagten, nachdem er sich mit HIV infiziert hatte. La Eterna überlebte die Angriffe des tödlichen Virus, aber nicht die Homophobie. La Eterna wurde in Pinar del Rio zu Tode gesteinigt.  Sie schaffte es HIV zu trotzen, aber die vielen Steine und den vielen Hass konnte sie nicht überleben.

Außerdem habe ich bei Cubanet den Mord an Ángel Herrera Oviedo am Strand „Playa del Chivo“ angeprangert. Ángel hatte keinen anderen Ort als diesen Strand, an dem sich die Männer zwischen den Mangroven lieben. Ángel hatte kein Bett mit sauberen Laken, in dass er sich mit einem anderen Mann legen konnte. Angel folgte der Kraft seines Begehrens und ging auf die Suche nach Sex und Liebe, fand aber den Tod. Die Mangroven verbargen die Identität des homophoben Mörders und dort, auf dem felsigen Boden, blieb ein toter Engel zurück. Zu Hause wartet eine Mutter weiterhin vergeblich auf ihren Sohn.

Der Schriftsteller Jorge Angel Perez mit seinem Hund Gogol.

Vielleicht weckt das Rauschen der Wellen, die sich am felsigen Ufer brechen und der Geruch von feuchter Erde Sehnsüchte, aber sie sind niemals von Sicherheit begleitet. Die Sicherheit gibt es nur im Bett in den eigenen vier Wänden. In Kuba aber hat man nicht immer ein Zimmer und ein Bett, um Zeit mit einem Liebhaber zu verbringen, vor allem dann nicht, wenn es sich um zwei Männer handelt. Aus diesem Grund suchen Homosexuelle in Kuba diese trostlosen Orte auf, die öffentliche Toiletten, die Dächer und die vielen eingestürzten Häuser, die unsere Städte langsam aber sicher zerstören.

In Kuba haben nur sehr wenige Schwule ein eigenes Haus, viele haben nicht einmal ein eigenes Zimmer. In Kuba leben die Familien auf engstem Raum und streiten sich. Liebe und Sex finden nicht immer den besten Ort, die Privatsphäre, der die Liebe am besten schützt. In Kuba gibt es viele Hotels, aber nur wenige Häuser. In Kuba können sich nur sehr wenige Menschen ein Hotelzimmer leisten. In Kuba ist Liebe sehr teuer. Sex ist auch sehr teuer. Am teuersten ist jedoch die homosexuelle Liebe. Früher bezahlte man sie mit Gefängnis oder Arbeitslager.

In Havanna erfüllt man seine Lust in einer der vielen Ruinen.  Ruinen wie der, auf der später das Luxushotel Iberostar Parque Central gebaut wurde. Inmitten der Trümmer und dem üblen Gestank des Sozialismus, entstand mit Geld aus dem kapitalistischen Spanien ein Palast für Touristen.  Sex zwischen Männern findet in Havanna an schmutzigen und versteckten Orten statt.  Orte, die möglichst weit weg von der homophoben Polizei sind. In Havanna lieben sich Männer im hinteren Teil eines Hotels, das heute ein Hotel für Homosexuelle ist. An der Rückwand des Axel-Hotels, jenes Hotels, das heute den schwulen Tourismus aufnimmt. Hinter diesem neuen Hotel, in dem Männer nackt mit anderen Männern rummachen können, wenn sie dafür viel Geld bezahlen.

Das Axel Hotel, befindet sich im Besitz der Firma Gaviota. Die ist eine Tochtergesellschaft der GAESA-Gruppe, die dem kubanischen Militär gehört und vom Schwiegersohn Raul Castros verwaltet wird. Es bietet Schwulen viel Komfort. Aber nur für jene Schwule, die von Übersee kommen,  aus Ländern in denen andere Sprachen gesprochen werden, oder aus Ländern die die selbe Sprache sprechen wie Kuba, aber nicht durch Sozialismus verarmt sind. Schwule Kubaner können das Axel Hotel nicht betreten weil der Preis für eine einzige Nacht ihr Monatsgehalt übersteigt. Sie werden auch nicht das Hotel gegenüber betreten können, das Iberostar Parque Central, welches auf den Ruinen erbaut wurde wo sie sich früher geliebt haben.  Sie haben sich in dieser Ruine geliebt, obwohl sie sich dabei die Schuhe dreckig machen konnten, den dort ging man auch hin um sein Geschäft zu verrichten.

Ich frage mich, wie der Service im Axel Hotel aussehen wird. Wird er auf „das Geschäft“ spezialisiert sein? Wie werden sich die Kellner und die Rezeptionisten kleiden?  Werden sie halbnackt sein? Und wird es dort Fitness oder Bodybuilding geben? Wie werden die muskulösen Angestellten auf die Wünsche einer Drag Queem aus Massachusetts oder Berlin reagieren? Werden sie auch für Sex zur Verfügung stehen?

Kann sich der werte Leser vorstellen, was der längst begrabene Diktator sagen würde, wenn er erfährt, dass sein Bruder Raúl und seine Marionette Díaz Canel ein Hotel gebaut haben, um „Freaks“ unterzubringen? „Freaks“ die jenen Freaks ähneln, die sich im Hotel Capri versammelten, die den bärtigen Chef so ärgerten und die er ohne Skrupel „Freaks“ nannte?

Was werden die sagen, die nicht durchgehalten haben und heute tot sind? Was werden die sagen, die in den Selbstmord getrieben worden sind? Was werden die Angehörigen der Toten und die Geister der Toten sagen? Was werden die Menschen sagen, die von Luis Pavón und Papito Serguera zensiert und stigmatisiert wurden? Und was werden die Zensoren Papito Serguera und Luis Pavón selber sagen? Werden sie wieder sterben, dieses Mal vor Wut, vor Empörung? Was werden La Eterna und Albertico Yañez und Ángel Herrera und so viele, viele andere sagen? So viele, so viele andere! Was werden wir selbst sagen? Und was werden wir selbst tun? Wird das übliche Schweigen die Antwort sein?

Es macht mich sehr wütend, dass sie uns jetzt für dumm verkaufen. Es ist empörend, dass die korrupten Kassen des Regimes mit dem Schweiß der Schwulen gefüllt werden, die aus der ganzen Welt kommen werden, um kubanisches Fleisch zu genießen. Das Fleisch jener Sexarbeiter, die immer noch wegen fehlender Aufenthaltsgenehmigung in ihre bitterarmen Dörfer auf dem Land abgeschoben werden. Könnte es sein, dass sie jetzt befristete Jobs haben werden, um die Touristen zu betreuen, die im Hotel Axel übernachten? Könnte es sein, dass die Sexarbeiter jetzt Selbstständige sind, die Steuern bezahlen? Könnte es sein, dass die Diktatur nicht mehr daran interessiert sind, dass ihre Homophobie ein Hindernis für ihre schamlose Bereicherung darstellt? Könnte es sein, dass sie beschlossen haben, das Hotel am Parque Central zu bauen, weil sich dort die Geschäftszentrale der Sexarbeiter befindet? Sie haben alles durchdacht! Sie haben alles sehr gut durchdacht!

Einleitung und Übersetzung von Fernando Rivas

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