Medhat Klada im Gespräch 

Die Kopten sind die Zielscheibe der radikalen Muslime 

Klada: Der Westen ignoriert das Leiden der christlichen Bevölkerung – der ägyptische Staat kann und will die christliche Minderheit am Nil nicht schützen


Medhat Klada ist Vorsitzender der in der Schweiz ansässigen Menschenrechtsorganisation „Middle East Human Rights“ und Präsident der Europäischen Union koptischer Menschenrechtsorganisationen (EUCHOR). EUCHOR ist in zahlreichen Staaten der Europäischen Union mit Gruppen und Mitgliedern vertreten.


Wer sind die Kopten?

Die Kopten sind ein Kulturvolk und zählen wie die Nubier zu den Ureinwohnern Ägyptens. Sie sind die größte christliche Minderheit des Nahen Ostens. Mit 20 bis 23 Millionen Angehörigen stellen die Kopten knapp ein Viertel der 104,2 Millionen Einwohner Ägyptens (Gemäß Zählung am 30. September 2018). 

Nach Darstellung der ägyptischen Regierung ist die Zahl der Kopten aber wesentlich geringer. Wie kommt es zu so widersprüchlichen Angaben?

Die ägyptische Regierung stuft den Anteil der koptischen Bevölkerung auf nur 10 – 15 Prozent der Bevölkerung herab und schafft damit die Grundlage für die Diskriminierung der Kopten in Staat und Gesellschaft.  Die aktuelle Statistik der akribisch geführten Taufregister der Koptisch-orthodoxen Kirche widerspricht dieser falschen Darstellung eindeutig!

Sind die Kopten von der ägyptischen Regierung enttäuscht?

Während der sogenannten „Widerstands-Revolution“ am 30. Juni 2013, geführt durch den jetzigen Präsidenten al-Sisi gegen das Regime von Muhammed Mursi und seine radikale „Muslimbruderschaft“, unterstützten die Kopten die Revolution und nahmen an den friedlichen Demonstrationen teil. Sie erhofften sich, Ägypten werde sich zu einem zivilen Staat entwickeln, in dem alle Bürger, ungeachtet ihrer Religion, gleiche Rechte genießen. Die Kopten, als Kirche und Bevölkerung, zahlten dafür einen hohen Preis und wurden erst recht zur Zielscheibe der radikalen Muslime.

Was steht einer Gleichberechtigung der christlichen Ägypter entgegen?

Die Regierung unter General al-Sisi fiel in die Arme der saudisch-finanzierten und infiltrierten Salafisten. Die radikalen wahhabitischen Salafisten dominieren seither die Entscheidungen der Regierung.  Als Beispiel für diese Sonderstellung durfte die salafistische Partei, al-Noor, in den letzten Parlamentswahlen von 2017 ihre Kandidaten für das ägyptische Parlament nennen und für diese im Namen der Partei Werbung machen. Dies, obwohl die ägyptische Verfassung, gemäss Artikel 54 politische Parteien auf religiöser Basis verbietet. Die Regierung hat hier beide Augen zugedrückt! Für die koptische Bevölkerung brachte der Sturz der Muslimbruderschaft keinerlei Verbesserung.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Es gibt zahlreiche Beispiele: So werden für sämtliche Beglaubigungen und Zertifikate, die durch die ägyptischen Behörden ausgestellt werden, Gebühren erhoben. Einzige Ausnahme ist die behördliche Bestätigung, dass eine Person zum Islam konvertiert ist.

Zur traurigen Realität gehört auch, dass junge Männer, die den Koran oder einen Teil davon auswendig lernen, bei der obligatorischen Militärpflicht als „Akademiker“ behandelt werden oder ihre Militärpflicht wird um die Hälfte verkürzt.

Wie geht der ägyptische Staat offiziell mit den Religionsgemeinschaften um?

Es gibt viel Symbolpolitik. Christen werden öffentlich vom Staatspräsidenten als gleichwertig dargestellt oder Präsident al-Sisi zeigt sich öffentlich mit dem koptischen Papst, nimmt sogar an einer Kircheneinweihung teil. Die staatliche Praxis widerspricht diesen symbolischen Handlungen aber leider extrem. Das gilt sogar für die Erhebung von Steuern. So sind Moscheen von der Liegenschafts-Steuer befreit. Kirchen hingegen müssen diese Steuer zahlen.

Kopten sind für Stellen beim Nachrichtendienst „nicht erwünscht“. Kopten werden in höheren Kaderpositionen bei der Polizei nicht beschäftigt. Kopten werden im Gesundheitsdienst als Gynäkologen nicht zugelassen. Koptische Wissenschaftler werden nicht als Dekan einer Universität oder einer Fakultät ernannt und so weiter ….

Aus Gründen der „sozialen Sicherheit sind viele koptische Kirchen gegen den Willen der Kirche geschlossen worden. Was erwarten die Kopten von den ägyptischen Behörden?

Wir erwarten, dass sämtliche Kirchen geöffnet werden können und dass christliche Ägypter von der ägyptischen Polizei wirksam geschützt werden.

Die Liste der amtlich geschlossenen Kirchen seit der Ära von Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist sehr lang. Allein im Bistum Armant und Esna in der Nähe von Luxor wurden seit 2013 acht Kirchen geschlossen und sämtliche liturgischen Aktivitäten verboten.

Den Schließungen gingen gewaltsame Proteste von Islamisten voraus. In der Regel wurden die Proteste von Gewalt gegen christliche Einwohner begleitet. Die Polizei hat entweder auf die erwarteten Bedrohungen gar nicht reagiert und ist Stunden später erschienen, oder sie war zugegen, schaute aber nur zu. Die übliche Reaktion war die Verhaftung von Kopten mit der Beschuldigung, Muslime provoziert zu haben.

Werfen Sie der ägyptischen Polizei vor, dass sie religiös parteiisch ist und Christen diskriminiert?

Ja. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: In Beni-Menin, einem Dorf in der Provinz von Beni Suef, haben Islamisten am Samstag, dem 14. April 2018 die koptischen Einwohner, sowie ein Kirchengebäude angegriffen. Der Pöbel ging mit Stöcken, Ziegeln und Steinen gegen das Kirchengebäude und Häuser der Christen vor.  Als Begründung gaben sie an, die Kirche verunreinige ihr Dorf! Die Polizei bediente sich der üblichen Methode, und verhaftete Kopten… Ähnliches widerfuhr am 31. August 2018, auch den Kopten im Dorf Damschao Hashim in der Minya-Provinz. Häuser der Christen wurden ausgeraubt und niedergebrannt.  Die Angreifer bedienten sich an Geld, Gold, und Haushaltapparaten aus den zerstörten Häusern der Kopten. Bei diesen Raubzügen wurden zwei Kopten und ein Feuerwehrmann verletzt. 

Der Anlaß der Islamisten gegen die Opfer vorzugehen war das christliche Gebet. Allein, das gemeinschaftliche Gebet der Christen reicht den Fanatikern als Begründung für gewaltsame Ausschreitungen gegen Kopten. Diesmal verhaftete die Polizei 38 Muslimen, davon sind 19 noch in der Untersuchungshaft. Die Anderen sind frei.

Zu Dutzenden wurden Kirchen, meistens in der Provinz von Minya, der Hochburg der Islamisten in Oberägypten, auf gleiche Weise demoliert, niedergebrannt und zugeschlossen. Die Angriffe erfolgten in der Regel im Anschluss an das Freitagsgebet in den Moscheen und wurden immer von körperlicher Gewalt gegen Christen begleitet. Leider geschah dies auch unter Aufsicht und unter Präsenz der Polizei! Wie zum Beispiel am 6. Juli 2018, natürlich ein Freitag(!), in Ezbet Sultan in Minya.

Wie groß ist die Zahl der  koptische Kirchen, die zum Schutze der Sicherheit geschlossen sind?

Bis heute wurden in Ägypten 251 koptische Kirchen auf Befehl der Polizei „zum Schutz der sozialen Sicherheit“ geschlossen. 52 Kirchen wurden allein in der Islamistenhochburg, der Provinz Minya zwangsgeschlossen. Statt die Verantwortlichen in die Pflicht zu nehmen, versuchen die Behörden das Gesetz zu umgehen und eine „friedliche Versöhnung“ zu erzwingen. Die Polizei bedient sich dabei einer höchst fragwürdigen Methode: Einige Christen werden kurzerhand wegen angeblicher Provokation verhaftet. Somit gibt es Beschuldigte auf beiden Seiten.

Immer wieder wurde über die Entführung der koptischen Mädchen und Frauen berichtet. Besteht dieses Problem fort? 

Dutzende von koptischen Mädchen und Frauen werden jährlich entführt und zwangsislamisiert. Darunter gibt es viele Minderjährige. Die Polizei und die anderen Behörden schützen die Täter.

Ich möchte an Marina Nashat, 17, erinner. Sie wurde am 8. März 2018 in Suhag, entführt und zwangsislamisiert. Oder an Miray Girgis, 20, aus Suhag, wurde am April 2018 auf dem Weg zu ihrer Universität entführt und zwangsislamisiert. An Amira Hafiz, 15, wurde in Luxor am 25. März 2017 entführt, zwangsislamisiert und zwangsverheiratet mit einem Muslim.

Diese und andere Tragödien finden immer wieder in Ägypten statt. Die freie Welt sollte Druck auf das ägyptische Regime für eine humane Behandlung der ägyptischen Christen ausüben.

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