Kuba: Sechs Jahre Gefängnis für ein Schild aus Pappe?

Am 4. Dezember 2020 hatte der 28-jährige Informatikstudent Luis Robles genug
von der Unterdrückung in seinem Land. Bis jetzt hatte er immer geschwiegen,
ist nie politisch aufgefallen. Aber das ungerechte Urteil gegen den Rapper
Denis Solis und das harte Vorgehen der Behörden gegen die friedlichen
Künstler der San Isidro Bewegung waren zu viel für den jungen Mann. Er
wollte etwas tun und bastelte sich ein Schild aus Pappe. Wie die
Anklageschrift der kubanischen Staatsanwaltschaft minutiös festhält,
pinselte er in roter und blauer Farbe die Worte „Libertad“ (Freiheit), „No
más represión“ (Schluss mit der Unterdrückung) und dem Hashtag #freedenis
auf das Schild.

Luis Robles mit seinem Schild im Boulevard San Rafael, Havanna


Mit diesem Schild zog er an den Boulevard San Rafael, eine belebte
Fußgängerzone in der Innenstadt Havannas. Dort begann er das Schild über
seinen Kopf zu halten, „Abajo la dictadura!“ (Nieder mit der Diktatur!) zu
rufen und ging auf und ab. Schnell bildete sich eine Menschentraube, die
seinen Protest filmte. Die Videos verbreiteten sich in Windeseile über die
sozialen Netzwerke. In den Videos sieht man wie einige der Zuschauer
beginnen ebenfalls „Nieder mit der Diktatur“! zu rufen. Das Ganze dauert
jedoch keine 5 Minuten, denn die Polizei ist bereits nach 3 Minuten zur
Stelle, um Luis Robles zu verhaften. Vor allem anwesende Frauen versuchen
dies zu verhindern, dies gelingt ihnen jedoch nicht.
Seit diesem Tag, dem 4. Dezember, sitzt der Student nun durchgängig in Haft.
Das sind nun bereits mehr als 4 Monate Haft für eine friedliche
Meinungsäußerung. Seine Familie lies man nach seiner Verhaftung tagelang im
Unklaren über seinen Verbleib. Zuerst war er im berüchtigten
Untersuchungsgefängnis Villa Marista der kubanischen Staatssicherheit
inhaftiert. Dieses Gefängnis ähnelt dem ehemaligen Stasi-Gefängnis
Hohenschönhausen in Ost-Berlin. Auch die Methoden dort sind dieselben: Luis
Robles wurde dort die Freiheit versprochen, wenn er sich Bereiterklären
würde als Spitzel für die kubanische Stasi zu arbeiten. Der junge Mann
weigerte sich jedoch konsequent. Als Bestrafung dafür wurde er dann in das
Combinado del Este überstellt, ein Hochsicherheitsgefängnis. Dieses
Gefängnis ist für seine harten Haftbedingungen berüchtigt, dort sitzen
normalerweise nur gewalttätige Schwerverbrecher ein.
Luis Robles darf keinerlei Besuch empfangen, er hat seine Familie zum
letzten Mal am 4. Dezember gesehen. Ab und zu darf er mit seiner Familie
telefonieren. Dann berichtet er von Misshandlungen und Erniedrigungen. Man
hätte ihn geschlagen, mit kaltem Wasser bespritzt, und zwinge ihn alle 2
Stunden nackt die Zelle zu wechseln. Auch seine Familie ist Repressalien der
Staatsmacht ausgesetzt. Sie stehen unter ständiger Beobachtung und sein
Bruder wurde verlor seine Anstellung als Mechaniker.
Allerdings kann es auch noch viel schlimmer kommen, denn die
Staatsanwaltschaft fordert nun 6 Jahre Haft für Luis Robles. Dieses völlig
überzogene Strafmaß ist auch für das kubanische Regime ungewöhnlich hart.
Den meisten bekannten Oppositionellen drohen Haftstrafen von wenigen Monate
bis maximal zu einem Jahr. Allerdings sind Haftstrafen für bekannte
Dissidenten mittlerweile eine echte Ausnahme. Diese werden zwar ständig
schikaniert, beobachtet und oft verhaftet, aber in den allermeisten Fällen
kommen sie nach 1-2 Nächten in Polizeigewahrsam wieder frei.  Und das,
obwohl sie als „Berufsoppositionelle“ seit vielen Jahren gegen das Regime
protestieren. Allerdings genießen diese Oppositionelle auch einen gewissen
Schutz durch ihren hohen Bekanntheitsgrad. Das Regime will international
nicht am Pranger stehen. In dem es die bekannte Opposition im Vergleich zu
anderen Diktaturen wie Iran, Ägypten oder China eher milde behandelt, kann
es sicher sein nicht im Fokus der Weltöffentlichkeit zu stehen. Außerdem
glaubt es mit den bekannten Oppositionellen gut umgehen zu können. Da sie
nur wenig Unterstützung beim breiten Volk genießen, stuft das Regime sie
nicht als wirkliche Bedrohung ein. Es gibt also keinen Grund sie unnötig
hart zu behandeln und dadurch einen internationalen Aufschrei auszulösen.
Das sieht bei Luis Robles allerdings ganz anders aus. Luis Robles ist das
gemeine Volk. Ein bis dahin vollkommen „unpolitischer“ Kubaner, der
plötzlich genug von der Unterdrückung in seinem Land hat und sich deshalb
spontan entscheidet friedlich zu protestieren. Da er mit keiner bekannten
oppositionellen Gruppierung in Kontakt steht, kann man ihn nicht als vom
Ausland bezahlten Söldner diskreditieren. Genau das stellt eine
existenzielle Bedrohung für die Diktatur da. Dass das gemeine Volk seine
Angst verliert und anfängt zu protestieren, muss jede Diktatur verhindern,
wenn sie weiter an der Macht bleiben möchte. Dies erklärt die Forderung der
Staatsanwaltschaft nach 6 Jahren Haft. Das Regime will an dem jungen mutigen
Studenten ein Exempel statuieren, damit nicht noch mehr Kubaner es wagen zu
protestieren.

Luis Robles’ einzige Hoffnung ist nun die internationale Aufmerksamkeit, die
sein Fall erfährt. Wird die zu groß, wird das Regime ihn wahrscheinlich
nicht zu einer langen Haftstrafe verurteilen. Bis jetzt beschränkt sich
diese aber nur auf die sozialen Medien und die einschlägigen Zeitungen der
exilkubanischen Gemeinde in Miami. Um das kubanische Regime davon
abzubringen den jungen Mann für Jahre ins Gefängnis zu stecken braucht es
mehr.

Fernando Rivas

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