Interview: 

Diskriminiert, kriminalisiert und ohne Rechte – Das Leiden der Kopten in Ägypten

Wir sprachen mit Medhat Klada. Der koptische Bürgerrechtler engagierte sich seit 2012 beider in der Schweiz ansässigen Nichtregierungsorganisation „Middle East Human Rights“  und weltweit gegen Menschenrechtsverletzungen in Ägypten. Im Jahr 2019 wurde Medhat Klada als „Botschafter für Menschenrechte“ ausgezeichnet. Seit 2016 wirkt er als Präsident der internationalen Nichtregierungsorganisation EUCOHR. EUCHOR ist in zahlreichen Staaten der Europäischen Union mit Gruppen und Mitgliedern vertreten.

European Coptic Leader Medhat Klada
(Quelle: Mayadeen TV (Lebanon))

Wie groß ist die Zahl der Christen in Ägypten? 

Klada: Wie viele Kopten es gibt, ist ein Politikum! Entgegen der offiziellen, staatlichen Angaben beträgt die Zahl der Christen in Ägypten zwischen 25 und 30 Millionen. Weitere 2,5 bis 3 Millionen Kopten leben im Ausland. Dies sind die korrekten Zahlen, an der sich die Beteiligung und die Mitwirkungsrechte für Kopten orientieren müssten. Leider sind die Kopten aber tatsächlich im ägyptischen Staat, in Bildungseinrichtungen, Polizei und Militär extrem unterrepräsentiert. Die systematische Darstellung geringerer Bevölkerungsanteile der Kopten begünstigt ihre dauerhafte Zurücksetzung in Staat und Gesellschaft. 

Leider werden von Seite des ägyptischen Staates viele Kopten nicht oder falsch registriert. Deshalb sind die Kirchenregister die einzig richtige Messlatte. In ihnen werden wesentlich mehr Kopten erfasst, als in den Statistiken der staatlichen Behörden. 

In den vergangenen drei Jahren wurde nur noch wenig über Menschenrechtsverletzungen an der koptischen Minderheit berichtet. 

Klada: Die Kopten haben vergeblich auf Verbesserungen gewartet. Aber leider leiden die Kopten weiterhin oder sogar mehr. Die gewaltsamen Übergriffe auf Kopten werden immer heftiger.

Was hat sich dann geändert, die Wahrnehmung oder die Realitäten ?

Klada: Die Realitäten sind geblieben. Die staatlich kontrollierten Medien berichten aber nicht darüber. Eher hat sich die Situation der Christen in Ägypten noch verschlechtert. Die Opfer gehören unterschiedlichen christlichen Kirchen an, aber sie alle werden von muslimischen Fanatikern verfolgt und diskriminiert, weil sie Christen sind.

Wie hat sich ihre menschenrechtliche Lage in Ägypten in den letzten Jahren entwickelt?

Klada: Leider ist die Lage der Menschenrechte schlimmer geworden. Die Salafisten haben so viel macht und in ägyptischen Parlamenten auch und El Azhar spielt Grüsse Rolle gegen koptische 

 „Die Salafisten, Al-Azhar und die Muslimbruderschaft vereinbaren gemeinsam die Verfolgung der Kopten „

Islamisten rufen in Kairo zu Gewalt gegen Kopten auf; Bild aus einem Doh-Video von 2017: „Ab morgen schießen wir scharf!“ Fernsehmitschnitte aufgebrachter Kopten sollen Stimmung machen und das Klima vergiften. Die Textzeile und sogar der Straßenname sind vom IS unkenntlich gemacht. Ort und Umstände verschiedener Proteste sind daher nicht nachvollziehbar. (Quelle: Mayadeen TV (Lebanon))

Werden koptische Menschenrechtsaktivisten vom ägyptischen Staat geschützt?

Klada: Leider nicht, sie werden verfolgt und von Polizei und Gerichten unfair behandelt.  Die nationale ägyptische Sicherheitsbehörde verfolgt koptische Aktivisten! Die ägyptische Justiz ist korrupt sowie unfair und leitet diskriminierende Urteile aus dem islamischen Recht ab. Dies ist nicht mit den Menschenrechten vereinbar.

Wer sind diese koptischen Aktivisten? Gibt es Organisationen zur Selbsthilfe?

Klada: Es handelt sich zum Beispiel um Studenten, denen wahrheitswidrig unterstellt wird, sie hätten gegen des Islam agitiert. Seht der Vorwurf der Blasphemie erst einmal öffentlich im Raum, muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Sehr schnell kommt es zu Gewalthandlungen, wie im Fall des Studenten Molah Atif. Der evangelisch-reformierte Student Noor wurde entführt und 18 Monate lang ohne Anklage eingesperrt, weil er die Diskriminierung von Christen kritisiert. Er lebt mit der ständigen Bedrohung gewaltsamer Übergriffe durch Fanatiker. Er hat keinerlei Schutz durch den ägyptischen Staat.

Bereits davor wurde der koptische Bürgerrechtler Ramy Kamil, weil er juristisch und öffentlich für die koptische Minderheit eingetreten war. Ramy Kamil ist Gründungsmitglied und Koordinator der Menschenrechtsgruppe „Maspero Youth Union“, die sich für die Religionsfreiheit der koptisch-othodoxen Minderheiten in Äqypten einsetzt. Er gründete die Menschenrechtsgruppe in der Folge des Massakers vom Masperoplatz im Oktober 2011, als ägyptische Soldaten zwei Dutzend friedliche Demonstranten töteten, die gegen die Zerstörung einer Kirche in Oberägypten protestierten.

Haben Kopten in Ägypten eine faire Chance am politischen und gesellschaftlichen Leben gestaltend mitzuwirken?

Klada: Leider nein. Die falsche Darstellung des koptischen Bevölkerungsanteils ist dabei bei weitem nicht die einzige Ursache.  Wesentlich ist die verbreitete herrschende Meinung durch Medien und die Bildungspolitik. In den Augen der muslimischen Mehrheit sind Kopten eine potenzielle Gefahr und minderwertig. Die Kopten sind gesellschaftlich diskreditiert. Da die Staatsführung radikalen Salafisten Schutz gewährt, schweben Christen in ständiger Gefahr Opfer von Gewalt zu werden, ohne dass die Täter bestraft werden.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Klada

Welche Rolle spielen Universitäten und Schulen?

Klada: Leider wird die Al-Azhar-Universität in Ägypten mit 26 Milliarden ägyptischen Pfund aus staatlichen Mitteln finanziert, auch den Steuern von Kopten. Den Kopten ist es untersagt, an renommierten muslimischen Hochschulen zu studieren, obwohl diese Universitäten auch aus ihren Steuergeldern finanziert werden. Die Al-Azhar-Universität graduiert Hunderttausende von muslimischen Fundamentalisten, die Intoleranz oder sogar Hass gegen Kopten verbreiten und die auch in die Staatsanwaltschaft, die Justiz und die Polizei berufen werden. Sie alle diskriminieren Kopten und verbreiten zivilisatorische Rückständigkeit, verbunden mit Extremismus in ganz Ägypten. 

Wollen immer noch viele Kopten das Land verlassen?

Klada: Weiterhin wollen vielen Kopten Ägypten verlassen. Sie werden dabei aber sogar von muslimischen Konsularmitarbeitern westlicher Staaten behindert. Wir schätzen, dass in den vergangenen zehn Jahren über 200.000 Kopten Ägypten verlassen haben. Das Zikel der meisten von Ihnen ist Kanada, Australien, die USA oder Westeuropa.

Wie ist Eure Arbeit organisiert? 

Klada: Wer für die Menschentrechte der Kopten eintreten möchte, kann bei uns mitarbeiten. Die Situation der Kopten muss vielen Menschen bewusst werden und wir freuen uns über jede Unterstützung! Wir haben wir gute Beziehungen zu europäischen Abgeordneten, Menschenrechtsorganisationen und aufgeschlossenen Medien. Durch diese können wir gegen die Menschenrechtsverletzungen an Kopten vorgehen und Öffentlichkeit herstellen. Das ist der beste Weg für eine Verbesserung der Lage in Ägypten.

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