85. Jahrestag der NS-Novemberpogrome
Staat und Gesellschaft müssen aktiv gegen Antisemitismus einstehen
Berlin. Zum 85. Jahrestag der Novemberpogrome am 9. November erklärt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte:
„Am 9. November 1938 wurden in einer vom NS-Regime organisierten und gelenkten Gewaltwelle in ganz Deutschland Synagogen, Betstuben und andere Versammlungsräume sowie Geschäfte und Wohnungen jüdischer Menschen verwüstet und jüdische Friedhöfe geschändet. Jüdinnen und Juden wurden misshandelt und ermordet; etwa 30.000 wurden in Konzentrationslager verschleppt. An den Folgen der Misshandlungen oder der unmenschlichen Haftbedingungen starben Ungezählte oder nahmen sich das Leben.
Das Gedenken an das entsetzliche Ereignis und die Opfer der antisemitischen Verfolgung ist 85 Jahre nach der Reichspogromnacht nötiger denn je. Es gibt Raum für Trauer über die Opfer, Mitgefühl mit ihren Angehörigen und Solidarität mit ihren Nachkommen. Sich an die Novemberpogrome zu erinnern, heißt auch, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, wie schnell aus antisemitischem Reden und Denken mörderischer Hass und tödliche Gewalt werden können. Deshalb mahnt das gemeinsame Gedenken Staat und Gesellschaft, die Würde jedes einzelnen Menschen zu verteidigen und gemeinsam aktiv gegen Antisemitismus und jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einzustehen.
Das Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome vermischt sich in diesem Jahr mit dem Gedenken an die Opfer des grausamen terroristischen Angriffs der Hamas auf Zivilpersonen in Israel und die große Sorge um die entführten Geiseln. Für viele Jüdinnen und Juden weltweit haben die Massaker der Hamas die kollektive Erinnerung an die zahllosen antisemitischen Pogrome wachgerufen. Die Verbrechen der Hamas sind Ausdruck eines Antisemitismus, der Jüdinnen und Juden auslöschen will. Es ging und geht der Hamas um die Ermordung von Menschen, weil sie Juden sind, und um die Verbreitung von Todesangst unter Jüdinnen und Juden. Die Untaten der Hamas als bloße Reaktion auf vergangenes Unrecht zu relativieren bedeutet, ihren antisemitischen Charakter zu leugnen.
Deshalb bin ich aufs Äußerste besorgt, dass in Deutschland die Verbrechen der Hamas gefeiert werden und Verständnis für sie geäußert wird. Ich bin in großer Sorge, dass antisemitische Schmierereien, Angriffe auf Jüdinnen und Juden und antisemitische Hassrede online wie offline drastisch zugenommen haben. Jetzt müssen Politik und gesellschaftliche Akteure in Deutschland dringlich die Mahnung der Novemberpogrome annehmen und ins Handeln kommen: historisch-politische Bildung und Menschenrechtsbildung müssen systematisch und nachhaltig gestärkt werden und bürgerschaftliches Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss unterstützt werden. Denn: Nie wieder ist jetzt!“
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